Folgenden Text habe ich an die Piraten-Partei in Hessen gesandt. Was haltet ihr davon?
Gedanken zum "Tanzverbot" an stillen Feiertagen wie zu Karfreitag
Ist es heutzutage so abwegig, eine für alle festgelegte Zeit zu haben, um inne zu halten? Um einmal nicht das eigene Selbst, das eigene Wohlbefinden an die erste Stelle zu setzen sondern ganz im Gegenteil am Beispiel eines vor Jahrhunderten ja Jahrtausenden gefolterten Menschen all derer zu gedenken, die in unserer Zeit Opfer von Folter und Ungerechtigkeit werden?
Einmal derer zu gedenken, die durch dich und mich, durch aktive Unterstützung oder passive Unterlassung zu Opfern wurden?
Opfer online, die durch üble Nachrede, durch Verbreitung von Halbwahrheiten und Lügen bis hin zu bewusst gefälschten Bildern im Netz der unbegrenzten Möglichkeiten dem Cyber Mobbing anheim fallen. Meist Minderjährige oder junge Erwachsene. Tagtäglich. Im freien Wwwirnawa der Bits und Bytes?
Dazu gehören auch die Opfer der vorschnellen Verurteilung wie kürzlich im Falle des 17jährigen in Emden?
Oder der Opfer von Spott und Verachtung durch die Folterknechte in all den weltweiten Folterkammern der diktatorischen und demokratischen Staaten dieser Erde?
Wieso darf es nicht einige stille Tage geben, um ihnen zu gedenken? Tage an denen wir uns einmal bewusst mit all diesen Ungerechtigkeiten konfrontieren, das Leid der Opfer bei uns selbst ankommen lassen.
Warum soll es dieses gemeinsame Innehalten in einer durch ihre Schnell-Lebigkeit immer unmenschlicher werdenden Zeit nicht gleichberechtigt neben unseren individuellen Freiheiten geben dürfen?
Ich frage Sie, warum ist es für Sie so wichtig immer und überall feiern und tanzen zu dürfen? Ist es nicht genauso wichtig eine für alle gemeinsam geltende Zeit fürs Innehalten, fürs Nachdenken zu haben? Oder ängstigt Sie das was Sie bei diesem Innehalten erblicken könnten so sehr, dass Sie es verbieten möchten?
Haben Sie Angst vor sich selbst? Vor der inneren Leere in Ihrem Leben?
Mich hat die Erfahrung eines gelehrt: diese innere Leere wird sich niemals durch Tanz und Feiern füllen lassen, noch durch das Verdrängen dessen was uns nicht behagt. Nur die Erfüllung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Ruhe, nach Innehalten, danach, in sich zu horchen, Erfahrungen ankommen zu lassen, kann dies bewirken.
Doch dazu braucht es Ruhe - und Zeit für Ruhe. Zeit, die ich mir nicht erst erkämpfen muss, für die ich mich nicht vor anderen zu rechtfertigen brauche, sondern die mir durch diese stillen Tage geschenkt wird.
Egal woher diese stillen Tage ursprünglich kamen, ich sollte sie nicht als Bevormundung durch eine Religion oder Beschneidung meiner persönlichen Freiheiten betrachten, sondern als Chance menschlich sein und bleiben zu dürfen. In einer Gemeinschaft für die Ruhe, Innehalten, in sich horchen so wichtig ist, einen solchen sozialen Wert darstellt, dass diese Gesellschaft dafür extra einige Tage des Jahres reserviert.
Vielleicht stimmen Sie mir zu, beharren aber darauf, dass Sie selbst den Zeitpunkt für Ruhe und Besinnung bestimmen möchten. Ohne Zwang. Das kann ich nachvollziehen, frage Sie aber: legen Sie denn auch die Zeiten Ihrer alltäglichen Hektik in dieser schnell-lebigen Zeit ganz alleine selbst fest? Oder wird Ihnen diese nicht viel mehr aufgezwungen? Wünschten Sie sich nicht manchmal, Nein sagen zu können? Ohne negative Folgen befürchten zu müssen?
Die stillen Tage helfen bei diesem konfliktfreien Nein-sagen. Nutzen Sie diese Chance.
Zudem ist es einfacher zu innerer Ruhe zu finden, wenn ich mich als Teil einer großen Gemeinschaft erlebe, die am selben Tag inne hält.
Abgesehen davon steht es jeder Person frei inne zu halten wann und wo sie es möchte. Warum also besteht ein solcher Widerwille gegen einige gemeinsame Tage der Ruhe?
Ich muss diese Zeit nicht kirchlich-religiös auslegen, sondern kann ganz frei all derer gedenken, denen Unrecht getan wurde und wird. In allen Zeiten.
Was ist daran so freiheitsraubend, wenn eine Gesellschaft für sich entscheidet, dass sie dafür einige der 365 Tage des Jahres zu allgemeingültigen stillen Tagen erklärt?
Was ist für Sie daran so abwegig, ihre eigenen Bedürfnisse an diesen Tagen dem menschlichen Grundbedürfnis nach Ruhe, Verstehen und Sinn unterzuordnen?
Was?
Die Religion etwa, die "schuld" ist an den stillen Tagen?
Wer oder was hindert Sie daran, diese religiösen Tage umzudeuten in Gedenktage für alle Opfer der Welt? Haben Sie wirklich keine Zeit gemeinschaftlich derer zu gedenken, die sich verraten und vergessen wähnen?
In einer Welt, die sich immer schneller und schneller dreht und die Menschen atem- ja ruhelos werden lässt;
in einer Welt, in der die Menschen weltweit immer mehr dem Diktat der globalen Wettbewerbsfähigkeit unterworfen werden und gegeneinander konkurrieren;
in einer Welt in der Menschen, die dem nicht gewachsen sind, nur allzu leicht zu Opfern und Verlierern werden;
Gerade in einer solchen Welt ist es unabdingbar dass es Ruhe-Zeiten gibt. Zeiten, die für ALLE gelten; Zeiten, die der Langsamkeit gemahnen; Zeiten, die dem Innehalten dienen; Zeiten, die dem Nachdenken und Nachfühlen gewidmet sind.
Wir können uns alle glücklich preisen, durch die Religion solche Zeiten bereits zu besitzen und sie uns nicht erst gegen die immer stärker und beherrschender werdenden wirtschaftlichen Interessen schwer erkämpfen zu müssen. So wie es bei vielen anderen Grund- und Menschenrechten der Fall war.
Lassen Sie uns diese Zeiten gemeinsam nutzen und nicht als Unfreiheit verdammen, sondern als Chance und Aufbruch zur Einkehr, zum Nachdenken über Werte nutzen. Werte, die uns als soziale Gesellschaft identifizieren.
Lassen Sie uns diese Zeiten nutzen, um zu bestimmen welchen Weg wir gehen, welche Zukunft wir unseren Nachkommen bereiten wollen. Eine Zukunft der individuellen Beliebigkeit, oder eine der sozialen Gemeinschaft und Verantwortung?
Ich möchte in einer Welt individueller Freiheit leben, wie sie im Grundgesetz und den Menschenrechten verankert ist, aber eingebettet und getragen in einer sozialen Gesellschaft, die sich ihrer Verantwortung allen, gerade auch den Opfern gegenüber, bewusst ist. In einer Gesellschaft in der Menschen Ruhe finden können in einer Atmosphäre gegenseitigen Respekts und im Gefühl mit dem Wunsch nach Besinnung nicht alleine zu stehen.
In diesem Sinne plädiere ich uneingeschränkt für die Beibehaltung der stillen Tage!